Transpersonale Kunst. Magischer Realismus

Von Ilse Fath-Engelhardt

Sprecherin: Christiane B. Horn

Michael Engelhardts magischer Realismus ist für mich transpersonale Kunst, die dementsprechend reich an Personifikationen ist. In seinen Bildern scheint alles eine Stimme, ein Eigenleben zu haben.

Die Kannen, Wolken und Steine, ja die Gegenstände überhaupt sprechen uns persönlich an. Wir werden in ein Gespräch mit ihnen verwickelt. Und der Austausch unter den Gesprächspartnern vertieft sich. Ich lebe nun schon seit Jahrzehnten mit Bildern dieses Künstlers zusammen – und merke, wie ich ständig dazu lerne. Immer wieder überrascht mich der Reichtum des atmosphärisch Angesprochenseins. Was für eine Fülle von Einsichten einem da geboten werden. Laufend erschließen sich Zusammenhänge, die von ihm ganz intuitiv ins Werk gesetzt worden sind.

 

Das Orakel, Öl/Eitempera/Leinwand, 96 x 116 cm, 2010

Das Orakel, Öl/Eitempera/Leinwand, 96 x 116 cm, 2010

 

Zum Beispiel das Bild Das Orakel. Ein Aspekt darin ist der Archetyp der Großen Mutter. Im Bild tritt sie, so wie im Mythos seit Urzeiten, dreifach in Erscheinung, ist keusches Mädchen, kluge Gebieterin - als Frau und weise Zerstörerin - als Alte. Im griechischen Götterpantheon wird sie von Demeter verkörpert. Ihr Symbol ist das auf seine Basis gestellte gleichseitige Dreieck – der griechische Buchstabe Delta.

In Mykene war der Kult der Demeter bereits im 13. Jahrhundert v. Chr. fest etabliert. Ihr Tempel in Eleusis war eines der größten Mysterien- und Orakelstätten Griechenlands. Isokrates schreibt hierüber, dass die Gaben der Demeter die wichtigsten für den Menschen sind, denn Demeter schenkte uns erstens „die Feldfrüchte, die uns davor bewahren, gleich wilden Tieren zu leben, und zweitens den heiligen Brauch, der jene, die an ihm teilhaben, froher Hoffnung werden lässt, was das Ende ihres Lebens und ihre ganze Existenz betrifft.“ Eleusis bedeutet Ankunft. Die Hauptriten galten der Gegenwart des göttlichen Kindes bzw. der Gegenwart des Erretters, der verschiedene Namen trug, wie Adonis, Dionysos oder Eleutheros, der Befreier.

In dem Bild Das Orakel ist für mich das geheimnisvolle, und damit transpersonale und nicht nur banale, Rätsel der Menschwerdung thematisiert. Der junge Mann fragt die in Schicksalsfragen bewanderte weise Frau nach seiner Zukunft und lässt sich von ihr in das Mysterium seines Menschseins einweihen. Sie weiß, worin sein befreiendes Potential besteht, und zeigt es ihm: Es liegt im Überschreiten der Trivialität seines Daseins. Ihr hoffnungsfroher Rat lautet: Finde aus der Banalität zur Transpersonalität.

Der Künstler Michael Engelhardt gibt nicht nur eine individuelle Deutung, nicht nur eine festgelegte faktische Antwort, sondern eine atmosphärische, offenbarende vielstimmige Antwort auf die Menschheitsfrage. Er gestaltet seinen wahren Schein, seine ureigene Wahrscheinlichkeit. So scheint die Wahrheit durch sein Werk.

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